Montag, 1. Oktober 2018

Modernes Leben - flexibel wie eine Brechstange

Dieser Tage bemerke ich mal wieder wie subjektiv ungerecht das Leben doch eigentlich ist.
Was jetzt beginnt wie das Klagelied eines frustrierten Bürgers, möchte ich heute einfach mal unter ein Stichwort stellen und mit einigen Beispielen belegen. Im Anschluss bitte ich Euch darum, einmal in Ruhe über das Geschriebene nachzudenken.

Mein Aufhänger für den heutigen Beitrag ist die "Flexibilität"!

In der heutigen modernen Zeit wird diese überall eingefordert.
Beginnen wir etwa bei der Bundesregierung, welche im Zuge der Digitalisierung des Arbeitsmarktes eine immer höhere Flexibilität von den Arbeitgebern fordert, um in der heutigen Arbeitswelt bestehen zu können. Überspitzt gesprochen, der 63jährige Schweißer bei BMW am Fließband, welcher durch einen Arbeitsroboter ersetzt wird, soll nach einer Umschulung am besten zukünftig Steuersoftware für mittelständische Betriebe programmieren.
Auch im Arbeitsleben ist dies nicht anders. Waren früher in Betrieben die Zuständigkeiten klar strukturiert  geregelt, straffen inzwischen immer mehr computergestützte Systeme die Arbeitsprozesse. Die Folge, der Mitarbeiter kann im Grunde nicht flexibel genug sein. Heute hier, morgen dort - die Zustände erinnern vielerorts schon an die Zustände in Zeitarbeitfirmen.
Gleiches gilt für die Arbeitszeiten. Bei Produktionsspitzen am liebsten hier ein wenig länger, dort etwas schneller und am besten auch nach Feierabend noch per Mail oder WhatsApp erreichbar.

Was aber bekommen wir im Alltag von dieser Flexibilität zurück?



Nehmen wir einfach mal ein Beispiel aus dem Alltag.
Erst vor einigen Wochen fragte ich meinen Arbeitgeber nach der Verschiebung eines Urlaubs. Zur ablehnenden Antwort bekam ich, dass ein SAP-Programm die Urlaube aller Kollegen genau koordiniere und auf die Arbeitsprozesse abstimmt und mein Wunsch alles durcheinander bringen würde. Wie war nochmal die oberste Prämisse im Arbeitsprozess? Flexibilität?

Dann kam ich durch eine Besprechung auch noch etwas später von der Arbeit los. Auf dem Heimweg ein kleiner Stau und schon war ich über eine halbe Stunde zu spät in der Kindertageseinrichtung um meine Kinder abzuholen.
Die Folge, ich hatte an diesem Tag meine Betreuungszeit von 8 Stunden für meine Sprösslinge in der Einrichtung um 30 Minuten überschritten. Dies wird laut Satzung unserer Gemeinde mit einer Gebühr von 5 Euro sanktioniert. Die Begründung, man müsse für solche Überziehungen ja Personal abstellen, welches bezahlt werden muss.
Da frage ich mich doch, wo ist hier die oft beschworene Flexibilität? Wo ist die nette grauhaarige Erzieherin, welche früher eh immer bis zum Schluss in der Einrichtung weilte und wie eine Oma zu den Kindern war? Wahrscheinlich weg gerechnet durch ein Computerprogramm welches die Steuereinnahmen für die Gemeinde berechnet und dabei gleich noch das Bruttoinlandsprodukt als Grundlage für den Personalschlüssel nimmt.

Verfolgen wir den Tag aber einfach mal weiter. Bereits in Zeitverzug lieferte ich die Kinder zu Hause bei der Mama ab und begab mich zu meinem, ebenfalls noch anliegenden, Termin zur Physiotherapie. Logisch war ich auch hier knapp 20 Minuten zu spät. Und prompt, bereits an der Anmeldung offenbarte man mir, dass die Mitarbeiterin welche mich betreut, bereits in 10 Minuten ihren nächsten Termin hat man nicht mehr mit meiner Behandlung beginne. Auf die Frage ob mich vielleicht eine andere Kollegin behandeln könne, erklärte man mir, dass ein Computersystem sämtlich Mitarbeiter auf Wochen im Voraus verplane und man sich in der heutigen Zeit keine Puffer leisten könne.  Soviel also auch hier zur Flexibilität.

Man gut dass ich dadurch zumindest rechtzeitig zum Abendessen da heim war. Nicht auszudenken wenn jetzt meine Familie bei den Essenzeiten hätte flexibel sein müssen. Wahrscheinlich wäre ich an diesem Abend mit leerem Magen zu Bett gegangen.


Was ich mit all den Beispielen sagen möchte. Solltet ihr das nächste Mal selbst von jemandem anderen Flexibilität einfordern, fragt Euch vorher wie flexibel seid ihr durch das heutige moderne Leben eigentlich selbst noch? Nicht dass zwingend eine böse Absicht dahinter stecken muss. Manch einer möchte vielleicht gern flexibel sein. Ich persönlich komme aber immer mehr zu der Einsicht, dass uns dieses sogenannte moderne Leben mit all den Möglichkeiten eher einschränkt, anstatt uns die viel gepriesene Flexibilität zu geben.

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