Sonntag, 4. November 2012

Medienkritik in Reinform

Nach recht aktuellen und bekannten Streifen in den letzten Wochen, habe ich mich am gestrigen Abend mal wieder einer Filmempfehlung aus dem Freundeskreis gewidmet. Geschaut habe ich eine deutsch/österreichische Mediensatire aus dem Jahr 2007, die laut Kurzbeschreibung genau meinen Geschmack treffen sollte:

„Free Rainer – Dein Fernseher lügt“

Rainer ist erfolgsverwöhnter Produzent beim führenden deutschen Privatsender TTS. Als Entwickler vieler Formate etwa Talkshows, Reality-Soaps oder der Show „Hol Dir das Superbaby“ ist er maßgeblich für den Erfolg seines Arbeitgebers verantwortlich und wird von diesem gefeiert wie ein Popstar. Die von ihm produzierten Sendungen bedienen dabei zumeist das typische Unterschichtenklientel und bedienen die niederen Instinkte der Zuschauer. Da treten am Samstagabend die Spermien dreier Männer in einem Wettrennen gegeneinander an um am Ende der Show eine Frau für sich zu erobern oder Sozialhilfeempfänger werden von einem Kamerateam verfolgt um sie in den peinlichsten Momenten abzulichten.
Desweiteren werden auch sogenannte Nachrichtenformate von Rainer produziert. In den vorgeblichen Nachrichtensendungen kommen seriöse Meldungen jedoch kaum zum Zug. Im Kampf um die Quote werden die Promis belauert und skandalträchtige Geschichten ausgegraben. Mit der Recherche nimmt es der Produzent oftmals nicht so genau. Wenigstens es bringt Quote. Dass er damit teilweise das Leben und die Reputation von Menschen zerstört, nimmt er billigend in Kauf.

Doch auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, ist das Leben nicht wirklich gut zu Rainer. Abgefeiert von seinen speichelleckenden Kollegen und Vorgesetzten, spürt Rainer zunehmend die soziale Kälte um ihn herum und beginnt Kokain zu nehmen. Als dann auch noch die junge Frau Pegah auf den Plan tritt, krempelt sich sein Leben völlig um.
Von einer seiner Reportagen in den Selbstmord getrieben, versucht Pegah ihren Großvater zu rächen und Rainer dafür umzubringen. Das Attentat misslingt und beide kommen sich im Krankenhaus näher. Hier hat der Star-Produzent eine Offenbarung. Was wäre, wenn man das Publikum dazu bringen könnte vom Unterschichten Fernsehen Abstand zu nehmen?

Wie eingangs erwähnt, trifft die Thematik von „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ nicht nur meinen privaten Geschmack sondern spiegelt im Grunde auch meine persönliche Meinung wieder. Kurz und knapp: „Reality-Soaps, Talkshows und der ganze andere Nonsens im Privatfernsehen verblödet die Bevölkerung und diese merkt es nicht einmal.“.
Die Herangehensweise des österreichischen Regisseurs Hans Weingartner ist dabei köstlich. Rainer beginnt die Einschaltquoten zu manipulieren und zwingt Privatsender mit marktwirtschaftlichen Zwängen dazu Literatursendungen über Goethe und Schiller zu produzieren. Am Samstagabend laufen zur besten Sendezeit Dokumentationen und die bisher etablierten Castingshows verlieren zunehmend an Boden und werden dem Druck der Werbeindustrie geopfert.
Die Menschen beginnen nach anfänglichem Protest die neue Medienkultur zu akzeptieren. Heranwachsende Kinder werfen die Glotze aus dem Fenster und treffen sich wieder mit Freunden, Jugendliche verabreden sich im Park um zu lesen und Rentner diskutieren bei einem Elbespaziergang das Abendprogramm eines Privatsenders.
Einfach köstlich! Ein Volk das Goethe liest und Literatur diskutiert. So sähe eine bessere Welt in der deutschen aber auch internationalen Medienlandschaft aus. Inhaltlich deshalb Daumen hoch für den Film.

Wo Licht ist, dort findet man aber immer auch Schatten. So kränkelt „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ trotz toller Idee und gelungener Satire vor allem an der ausufernden Laufzeit des Films. In der ersten Stunde wird ein wenig zu ausführlich das Vorleben des Produzenten Rainer gezeigt.
Die eigentliche Handlung kommt viel zu spät in Tritt, was zu unnötigen Längen im Film führt. Mal ehrlich das Thema hätte man ein wenig knackiger verpacken sollen. Über zwei Stunden sind für eine deutsche Produktion einfach tödlich. Da helfen auch die gut spielenden Darsteller wie etwa Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle nichts.

Im Fazit ein amüsant, anspruchsvoller Film, der ein wenig über seine eigenen Beine oder sagen wir besser die eigene Laufzeit stolpert. 45 Minuten weniger Spielzeit hätten gut getan und „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ auch einem etwas breiterem Publikum zugänglicher gemacht. So wird der Film aber weiter einem eher kleineren Publikum zusprechen, was aufgrund der Thematik sehr schade ist. Deshalb bekommt der Film von mir diesmal nur drei Sterne.
Anspruchsvolles Kino nicht für jedermann und zur richtigen Zeit. Eindeutig nicht massentauglich, deswegen aber nicht weniger sehenswert.


Hier der Trailer aus dem Jahr 2007:




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