Mittwoch, 31. Oktober 2012

Wenig überraschender Überraschungserfolg

Ein dunkler schnittiger Masarati braust über die nächtlichen Straßen von Paris. Mit viel zu hoher Geschwindigkeit jagt er durch die Häuserschluchten und bleibt auch dem Auge des Gesetzes nicht verborgen. An seinem Steuer ein Farbiger in Lederjacke.
Als die Ordnungshüter es schaffen den Sportwagen zu stoppen, stellen sie fest, dass sich ein Querschnittsgelähmter auf dem Beifahrersitz und ein Rollstuhl im Kofferraum befinden. Sabbernd und mit spastisch zuckenden Bewegungen scheint der Behinderte einen Anfall zu haben. Kann es sein das die Polizisten gerade einen akuten Krankentransport vereiteln und einen Pfleger daran hindern seinen Patienten in das nächst gelegene Krankenhaus zu bringen?
Mit Polizeieskorte fährt der dunkle Masarati bei der Notaufnahme eines Pariser Krankenhauses vor. Die Ordnungshüter verabschieden sich freundlich und Driss, der dunkelhäutige Senegalese auf dem Fahrersitz, muss sich einen Lachanfall verkneifen. Zwar ist der superreiche Industrielle Philippe auf dem Beifahrersitz querschnittsgelähmt, doch den Anfall hat er nur vorgetäuscht um seinem Freund und Pfleger Driss vor einer Bestrafung zu bewahren.

„Ziemlich beste Freunde“

Rückblende. Der schwerreiche Philippe ist begeisterter Gleitschirmflieger. Als er eines Tages bei schlechten Wetterverhältnissen abstürzt, verletzt er sich an der Wirbelsäule und ist fortan halsabwärts gelähmt. Das Leben scheint ihm kaum mehr Freude zu bieten und alles macht irgendwie keinen Sinn.
Auch die Einstellungsgespräche für einen neuen persönlichen Pfleger bringen da offenkundig kaum Abwechslung. Ein studierter Pfleger nach dem anderen, präsentiert seine Referenzen in der Hoffnung auf den lukrativen Job. In diesem Kontext fällt der Schwarzafrikaner Driss, in lockeren Sportklamotten, Turnschuhen und iPod auf den Ohren, auf. Seine Motivation zum Vorstellungsgespräch bei Philippe zu kommen, das Arbeitslosengeld. Aus den Vorstädten von Paris stammend und mit einem Vorstrafenregister welches nicht auf mehrere A4 Seiten passen würde, hat er von Anfang an keine Hoffnung auf den Job. Dumm nur, dass er dem Arbeitsamt einige Bewerbungsversuche vorlegen muss um an die staatliche Stütze zu kommen.
Doch so einfach macht es ihm Philippe nicht. In ihm erwacht der Ehrgeiz. Trotz Kenntnis von Driss Vergangenheit, stellt er ihn ein und zwingt ihn somit einer geregelten Arbeit und somit einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Schnell zeigt sich das Driss eine ganz unverkrampfte Einstellung zu Behinderten hat. Er beginnt Philippe vieles zurück zu geben, was dieser kaum erwartet hätte.

Zufall oder nicht? Fest steht selbst die beiden Regisseure Olivier Nakache und Éric Toledano hatten einen solch riesen Erfolg des Films nicht auf dem Radar. Bereits Ende 2011 avancierte „Ziemlich beste Freunde“ in Frankreich zum Durchstarter des Jahres und konnte dann Anfang 2012 auch in Deutschland beachtliche Erfolge einfahren.
Hierzu tragen mehrere Faktoren bei. In erster Linie die Handlung, welche auf der Biografie des französischen Champagnerherstellers Philippe Pozzo di Borgo beruht. Dieser schrieb seine Geschichte im Jahr 2001 unter dem Titel „Le second souffle“ („Der zweite Atem“) nieder, verweigerte trotz etlicher Anfragen bis 2011 jedoch die Verfilmung.
Der krasse Gegensatz zwischen der Welt der Reichen und dem Pariser Banlieue, also der Vorstadt welche faktisch einem Ghetto gleich kommt, ist nicht ganz neu. In „Ziemlich beste Freunde“ wird das Dilemma von Driss recht bewegend vermittelt. Plattenbau, Gewalt, Sozialhilfe und Hoffnungslosigkeit. All dies spiegelt sich in Driss, trotzdem steckt in ihm kein schlechter Mensch. Zu sehr sind die Bewohner der Banlieue jedoch mit sich selbst und dem eigenen Überleben beschäftigt um dies aus ihm heraus zu holen.
Der zweite große Pluspunkt sind die Darsteller. Allen voran François Cluzet als gelähmter Philippe. Erst Anfang diesen Monats habe ich Euch den Streifen „Kleine wahre Lügen“ vorgestellt, in dem Cluzet einen Marder jagenden, gut betuchten Industriellen im Erholungsurlaub spielt. Die Rolle scheint ihm zu liegen. Auch im hier besprochenen Film füllt er seine Rolle voll aus und vermag es sogar die Figur eines Behinderten mehr als glaubhaft herüber zu bringen. Ihm gegenüber der ausgesprochenen Frohnatur Omar Sy als Driss. Auch hier eine überzeugende Topleistung die in seinem Heimatland Frankreich sogar mit dem wichtigsten nationalen Filmpreis, dem „César“ ausgezeichnet wurde.

Am Ende ist „Ziemlich beste Freunde“ ein Film der das Rad im Grunde nicht neu erfindet. Die Thematik ist nicht wirklich neu, lebt bei diesem Film aber von der sehr bewegenden Inszenierung. Dazu die sehr guten Leistungen der Darsteller und schon wieder haben wir einen dieser „Wohlfühlfilme“ die in den letzten Monaten scheinbar in Mode kommen. Kurzum, ein Film bei dem alles richtig gemacht wurde und bei dem man auch als Zuschauer nichts falsch machen kann. In jedem Fall sticht er nicht derart aus dem Genres heraus wie es einem die Medien manchmal vermitteln. „Kleine wahre Lügen“ etwa fand ich persönlich einen Tick besser. Trotzdem, wer ihn noch nicht im Kino gesehen hat, schnappt sich am besten schnellstmöglich seinen Partner, eine heiße Tasse Kakao und verbringt mal wieder einen gemütlichen DVD-Abend unter einer wärmenden Wolldecke. Ist doch auch schön! ;o)


Hier wie immer der Trailer:



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