Mittwoch, 15. August 2012

Wissen im Kinoformat

Heute habe ich mich mal für ein eher ungewöhnliches Format bei meinem Film entschieden. Statt Komödie, Thriller oder Horror, beschäftigt sich mein heutiger Artikel mit einer amerikanischen Dokumentation aus dem Jahr 2008.

„Food Inc.“

Natürlich gibt es bei einer Dokumentation, auch wenn man sie auf ein 90minütiges Kinoformat aufbläht, keine Handlung im eigentlichen Sinne. Vielmehr jedoch ein Thema und dies sollte beim Titel des Films nicht schwer zu erraten sein. Unser Essen.
Am Beispiel des amerikanischen Marktes wollen uns die Macher des Films zeigen, wie wenig wir Verbraucher doch über die eigentliche Herkunft, die Produktion bzw. Verarbeitung der Lebensmittel wissen, die wir alltäglich im Supermarkt kaufen.
So werden einem Tiere in Massenhaltung vorgeführt, Getreide in Monokulturen, unmenschliche Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen oder Lebensmittelskandale am laufenden Band. Doch auch die Bemühungen von Biobauern und Lebensmittelschützern haben ihre Ecke im Film.

Eine ethische oder inhaltliche Bewertung eines solchen Films an dieser Stelle vorzunehmen liegt mir fern. Zu viele Standpunkte, unverkennbare Missstände. Ich glaub man könnte mit der Thematik ein ganzes Forum füllen. Vielmehr möchte ich von einer ganz anderen Sichtweise an „Food Inc.“ heran gehen. Zum einen möchte ich die Frage stellen: „Sind die dort gezeigten Zustände auch auf Deutschland oder Europa übertragbar.“ und zweitens: „Macht eine solche Dokumentation im Kino überhaupt Sinn?“.

Sicherlich. Auch hier zu Lande gibt es sehr negative Tendenzen wenn es um unsere Ernährung und ihre Auslöser dafür geht. Gott sei Dank sind die Folgen bisher nicht so extrem wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Leider sind wir jedoch immer mehr auf dem Weg dorthin. Dies merkt man vor allem an den Stellen, wo Bauern in den USA sich beschweren, keine natürlichen Getreidesorten mehr anbauen zu können, da sich riesige Konzerne genetisch verändertes Saatgut patentiert haben. Etwa an dieser Stelle kam mir die Erinnerung: „Mensch, haben nicht erst vor kurzem deutsche Politiker über dieses Thema diskutiert?“. Ein weiteres Thema der Lobbyismus bis in höchste amerikanische Regierungskreise. Damit einher gehend die Senkung von Lebensmittelstandards, das aussetzen von strengeren Kontrollen. Auch hier ist mir zu Bewusstsein gekommen, dass strenge deutsche Auflagen und Kontrollen immer mehr durch die Vereinheitlichung der EU unterwandert und aufgeweicht werden.
Insofern erscheinen mir Teile von „Food Inc.“ weniger als ein Spiegel für unsere heimische Lebensmittelproduktion als vielmehr wie ein Blick in die Zukunft. Hier sollten wir sehr stark aufpassen und die geschilderten Beispiele als eine Mahnung verstehen.

Zu Punkt zwei, ob eine solche Doku im Kino Sinn macht, bin ich zweigeteilter Meinung. Zum einen ist es immer gut wenn die Verbraucher auf allen Kanälen von wichtigen Entwicklungen Notiz nehmen. Auf der anderen Seite ist „Food Inc.“ ein typisch amerikanischer Film. In Fotomontagen wandern Manager in schwarzen Anzügen durch genmanipulierte Felder, im Hintergrund der Schlot eines riesigen Braunkohlekraftwerks oder so etwas in der Art. Alle fünf Minuten wird man mit der schrecklichen Vergangenheit einer Einzelperson konfrontiert, deren Kind an Bakterien verstarb oder ein illegaler Gastarbeiter der nach zehn Jahren in sein Heimatland abgeschoben wird. Für mich als Deutschen ist diese Aufmachung für eine seriöse Dokumentation zu reißerisch.

Auch wenn mich viele jetzt dafür nicht mögen werden, hier kommt uns unser System des öffentlich/rechtlichen Rundfunks – und damit auch unsere GEZ Gebühren – zu Gute. Wir haben nämlich in Deutschland, meist im staatlichen Fernsehen, ziemlich gute Formate, Magazine und Dokus die sich seit Jahren mit Ernährung, Verbraucherschutz und Lobbyismus auseinandersetzen. Während die Amerikaner in „Food Inc.“ immer sehr entsetzt bei den Enthüllungen wirkten, sage ich mir, jeder Deutsche der die Augen ein wenig aufhält, den Verstand einschaltet und ab und an in der Glotze mal was anderes wie RTL & Co. schaut, weiß wie unser Fleisch in Zeiten der Globalisierung und des weltweiten Bevölkerungswachstums produziert wird. Das Getreide genetisch manipuliert wird und welche Folgen das haben könnte.

Handwerklich leistet sich „Food Inc.“ dagegen nur einen Fehler. Der Film ist zu lang. Zwar klingen eineinhalb Stunden nicht sehr viel. Trotzdem nachdem die Geflügel- und Rinderhaltung bereits episodenhaft abgearbeitet wurden, bekomme ich nur 20 Minuten später auch noch einen dritten mechanisierten Großschlachthof zu sehen, diesmal nur für Schweine. Bei einer Doku-Serie, wo ich mir jede Woche eine Episode, jeweils zu einem anderen Thema anschaue, wäre dies hinnehmbar. In so geballter Form wie diesem Film, schaltet man nach dem zweiten Schlachthof jedoch ab. Nur gut das im letzten Teil des Film noch einige Biobauern zu Wort kommen und mit „Wal Mart“ die weltweit größte Supermarktkette ihre Bio-Bemühungen präsentieren darf, mit der Quintessenz: „Naja, aus Überzeugung machen wir das nicht, aber wenn der Konsument das möchte, bekommt er es.“

Insgesamt ist „Food Inc.“ Wohl eher eine Dokumentation für den amerikanischen Staatsbürger. Aufmachung und Inhalt sprechen mich als „relativ“ aufgeklärten Deutschen nicht an. Trotzdem kann man Tendenzen und Entwicklungen im Film als nützliche Denkansätze verstehen.
Kein Film für die heimische Couch. Dann schon mehr für den Biologieunterricht an einer Mittelschule, wenn der Lehrplan erfüllt ist, eine Freistunde es zu lässt und das hiesige Bildungsfernsehen nichts hergibt.


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