Mittwoch, 18. Juli 2012

Hinter schwedischen Gardinen …

… entstehen auch tolle Filme!

Kinofilme aus Hollywood sind so normal wie das frische Brötchen auf dem Frühstückstisch am Sonntagmorgen. Indien hat sich in Form seiner Bollywoodstreifen inzwischen in die Herzen der Deutschen geschlichen und auch französische Filme haben bewiesen, dass man sie zumeist dem anspruchsvolleren Kino zurechnen kann. Aber mal ganz ehrlich, Schweden war bei mir filmisch bisher absolutes Niemandsland. Umso erstaunter war ich über den Film:

„Metropia“

Wir schreiben das Jahr 2024. Alle haben es gewusst, der Euro ist gescheitert und die Wirtschaft ist kollabiert. Europa hat seine besten Zeiten bereits lange hinter sich. Die meisten Großstädte sind zu trostlosen Wohnsilos verkommen in denen sich die Menschen von einem Tag auf den anderen, durch Zeitarbeit, etwa in Call-Centern über Wasser halten.
Riesige Mega-Konzerne sind entstanden, einen Mittelstand gibt es faktisch nicht mehr. Einziger vermeintlicher Lichtblick in dieser wirtschaftlich ausweglosen Situation ist die Firma „Trexx“. Mit einer revolutionären Idee hat man es geschafft, entgegen dem wirtschaftlichen Trend, erfolgreich zu sein. Die Idee hinter der Firma. Man verbindet ganz Europa mit einem gigantischen U-Bahnnetz. Paris – Stockholm in nur 30 Minuten oder von Barcelona nach Berlin, kein Problem!
In Mitten dieser Situation lebt Roger. Er ist das Sinnbild eines gewöhnlichen Menschen in dieser Zeit. In einem herunter gekommenen Apartment lebt er seit sieben Jahren mit seiner farbigen Freundin Anna. Tag für Tag quält er sich zu seiner Arbeit in einem Call-Center, wo er an einem Schreibtisch nur eine Nummer unter vielen ist. Von seinem Chef überwacht, darf er sich täglich anhören, dass er jederzeit ersetzbar ist. Lediglich eine kleine Marotte leistet sich Roger, er fährt Fahrrad!
Dies in einer Welt in der die U-Bahn allgegenwärtig ist, Autoverkehr seit Jahren nicht mehr existiert und Straßen von der spärlichen Natur zurück erobert werden.
Als er eines Abends im Bett liegt und sich bewusst wird, dass am darauffolgenden Tag wieder einer dieser monotonen Tage auf ihn wartet, spricht eine Stimme in seinem Kopf zu ihm. Diese versucht ihm in der Folgezeit immer wieder bei verschiedenen Alltagssituationen reinzureden.
Dies ändert sich auch nicht als er eine geheimnisvolle blonde Frau trifft und dieser bis nach Paris folgt.

Mit „Metropia“ liefern die schwedischen Filmschaffenden einen ungewöhnlichen Szenefilm ab, der gleich auf den ersten Blick durch seine ungewöhnliche Gestaltung auffällt. In einer Mischung aus realen Aufnahmen, Puppenfilm und Animationsstreifen, bekommt der Zuschauer bisher ungesehene Kost geboten. Ich gebe zu, dass der Film mich fast durchweg, durch seine ungewöhnlichen Bilder beeindruckt hat.
Aber auch die Handlung weiß durchaus zu überzeugen. So ist der Hauptplot erst einmal ziemlich gradlinig angelegt. Man begleitet Roger durch seinen Alltag und darf später dabei sein wie er mit allen Konventionen bricht. Was die Story jedoch wirklich sehenswert macht, ist die geballte Gesellschaftskritik, welche in fast jeder Szene zu finden ist.
Anspielungen auf trostlose Wohnsilos, Zeitarbeit als Geisel der Gesellschaft, überhöhte Preise im öffentlichen Nahverkehr und mein Favorit, die „Asylum TV Show“ in der nordafrikanische Asylbewerber um eine Aufenthaltsgenehmigung in der Europäischen Union wetteifern. „Metropia“ beinhaltet ein Menge dieser zynischen Kritik, die fast alle von uns in abgeschwächter Form aus dem eigenen Leben kennen. Dies erklärt warum es bis zum Ende des Films so interessant ist Roger und seinem Leben zu folgen, denn im Grunde ist er nur eines, ein Normalo wie wir alle.
Gesondert hervorheben möchte ich an dieser Stelle noch einmal den außergewöhnlich guten Soundtrack des Films. Dieser stammt vom schwedischen Electro-Musiker Krister Linder und ist auch in Deutschland als Album erhältlich. Unbedingt rein hören!

In meinem Fazit kann ich „Metropia“, welches man nicht mit dem Fritz Lang Klassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1936 verwechseln sollte, jedem nur ans Herz legen.
Natürlich handelt es sich bei dem Streifen, keinesfalls um maßen tauglichen Film. Hier sollte zugreifen, wer etwas für anspruchsvolleres Kino über hat. Wer dies aber tut, bekommt in Sachen Optik eines der ungewöhnlichsten Werke der letzten Jahre zu sehen. Die Bilder zusammen mit dem eingängigen Soundtrack haben mich beeindruckt. Dazu die bissige Gesellschaftskritik. Toller Film aus einem Land, das ich bisher nur mit billigen Designermöbeln in Verbindung brachte. Absolut empfehlenswert!

Hier wie immer der deutsche Trailer:




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