Montag, 30. Juli 2012

Menschen im Paradies


Wir schreiben das Jahr 1985, in Japan sitzt ein ambitionierter Comiczeichner über einem weißen Blatt Papier und ist dabei, seine große Vision von der Zukunft zu entwerfen. Der Name des gerade einmal 25jährigen, Masamune Shirow.
Heute, fast 27 Jahre später ist das Werk, welches er damals erschuf, längst Kult unter den Anime und Manga Fans auf der ganzen Welt. „Appleseed“.
Nach der mehrbändigen Comicvorlage entstand bereits 1988 der erste Kinofilm, damals noch von Hand gezeichnet und eher auf Action ausgelegt. Um die Jahrtausendwende arbeitete man das Thema dann noch einmal in zwei computeranimierten Kinofilmen auf. In Japan selbst erschien neben einer Menge Franchise auch noch eine 26teilige TV Serie, die nie den Weg nach Deutschland fand. Der letzte Coup aus den Jahren 2011/2012 ist jedoch eine 13teilige Mini-Serie mit dem treffenden Titel:

„Appleseed XIII“

Nach einem weltumspannenden Krieg im ausklingenden 21.Jahrhundert wurde die Menschheit stark dezimiert. Schätzungsweise die Hälfte der Bevölkerung fiel dem Konflikt zum Opfer. Ganze Länder, Landstriche aber auch Staaten wurden verwüstet.
Gerade hat der Wiederaufbau in einigen Gebieten begonnen. So unter anderem in Nordamerika, wo eine Gruppe von Enthusiasten die Stadt Olympus aus dem Boden gestampft hat. Olympus ist jedoch keine gewöhnliche Stadt. Zum futuristischen Ansatz einer besseren Gesellschaft gehören in Olympus nämlich auch die Genmanipulation und Modifikationen an Körper und Geist. Im sogenannten „Tartarus-Projekt“ werden genetisch verbesserte Klone herangezogen. Kriegsversehrte Menschen bekommen künstliche Gliedmaßen und teilweise komplette Körperteile eingesetzt. So entsteht die Gruppe der Bioroiden. Entweder geklonte oder verbesserte Menschen, welche sich grundlegend von den natürlichen Nachkommen unterscheiden. Bereits 80% der Bevölkerung in Olympus bestehen aus solchen Bioroiden, kein Wunder das es hier zu Vorurteilen, Spannungen und Extremismus kommt.

In diesem Umfeld leben unsere beiden Hauptfiguren, Deunan Knute und Briareos Hecatonecles.
Beide sind zwar noch recht jung, trotzdem schon Kriegsveteranen. Deunans Vater brachte seiner Tochter sehr früh das Kämpfen bei, damit diese auf den Schlachtfeldern der Welt bestehen kann. Bereits früh an ihrer Seite Briareos, welcher immer für sie da war und sich später auch zu ihrem festen Freund entwickelt. Als es die beiden nach Olympus verschlägt, wähnen sie sich im Paradies. Keine Gewalt, kein Krieg und sichere Lebensverhältnisse. Nur dumm das alle Fähigkeiten und alles Können der beiden genau auf Gewalt und Zerstörung ausgerichtet sind. Sie beschließen sich den Polizeibehörden von Olympus anzuschließen und entwickeln sich schnell zu zwei geschätzten Kräften der E.S.W.A.T. einer speziellen Einsatzgruppe.
Denn auch wenn es auf den ersten Blick friedlich in Olympus erscheint, Separatisten, Extremisten und Terroristen versuchen tagtäglich an den Grundfesten des Paradieses zu rütteln. Fragt sich nur ob Olympus tatsächlich das Paradies auf Erden ist.

Die Handlung der Serie hält sich wieder einmal in den Grundzügen stark an die Vorlage aus den achtziger Jahren. Es wird das Leben von Deunan und Briareos gezeigt, ihre Konflikte in dieser fast zu perfekten Welt in der man sich als Mensch wie in einem Reservat fühlt.
Auch „Appleseed XIII“ stellt dabei gewisse Fragen wie Genmanipulation und künstliche Verbesserungen am Menschen in den Vordergrund. Wie weit darf man gehen und wo sollte die Grenze gezogen werden. Damit zeigt sich das Werk für einen Anime erstaunlich gesellschaftskritisch und aktuell, zumal auch in Deutschland erst vor kurzem die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik geführt wurde. Aber auch andere Fragen werden thematisiert. So etwa die Theorie, dass Menschen ohne Elend und Leid in einer perfekten Gesellschaft nicht glücklich werden können und immer wieder zur Gewalt neigen. Ähnliche Gedankenspiele gab es bereits im Blockbuster „Matrix“ aus dem Jahr 1999. Man sieht also, ziemlich viele philosophische Ansätze, welche aber schon immer zur Geschichte von „Appleseed“ gehörten und auch der neuen Serie gut zu Gesicht stehen.

Weniger toll fand ich dann jedoch den Hang der Autoren zur griechischen Mythologie. Namen wie Olympus ließen zwar schon in der Manga-Vorlage und den ersten filmischen Umsetzungen einen gewissen Bezug durchscheinen, in „Appleseed XIII“ hat man es jedoch übertrieben. Die Episoden der Serie sind größtenteils nach griechischen Gottheiten benannt, in jeder dritten Szene ist eine entsprechende Statue zu sehen und sowohl Vor- als auch Abspann der Serie würden hervorragend in eine Multimediapräsentation für die Akropolis in Athen passen. Hier hat man es ein wenig übertrieben, dies schadet dem Auftritt der Serie.

Wichtig für einen Anime ist natürlich auch der Zeichenstil. Hier war das renommierte Studio „Production IG“ federführend. Heraus gekommen ist ein sowohl faszinierendes, wie auch umstrittenes Charakterdesign. Irgendwo zwischen Computeranimation, comichafter Celshading Technik und Handzeichnungen, weiß der Stil der Zeichnungen nicht sofort zu überzeugen. Zwar ist man streckenweise immer wieder von den Bildern fasziniert, trotzdem wirkt alles in der Summe sehr kühl und hölzern animiert. Ich kann es nicht beschreiben, dem geneigten Zuschauer jedoch versichern, dass man sich nach den ersten drei Episoden an den Stil gewöhnt hat. Es ist halt Geschmackssache, für den großen Wurf in der Animationsgeschichte halte ich es jedoch nicht.

Insgesamt bringt „Universum Film“ mit der Serie ein interessantes Stück Anime auf den deutschen Markt. Neueinsteiger aber auch langjährige Fans sollten sich nicht von dem ungewöhnlichen Zeichenstil und der etwas sperrigen eingebauten griechischen Mythologie abschrecken lassen. Man sollte auch tunlichst vermeiden, sich bereits nach den ersten beiden Episoden eine Meinung zu bilden. Ich habe gemerkt, die Serie kommt erst mit Folge drei und vier richtig in Fahrt.
An der deutsche DVD bzw. Blu-Ray Umsetzung gibt es nichts auszusetzen. Die erste Scheibe wartet mit tollem Bild, einer sehr guten deutschen Dolby 5.1 Ton sowie jeweils einer Dokumentation zu jeder Folge auf. Dies ist anständig und zu begrüßen.
Hätte man also an der ein oder anderen Ecke noch ein wenig gefeilt und die Griechen, Griechen sein lassen, hätte es bei mir für vier Sterne gereicht, so aber belassen wir es bei drei. ;o)


Für alle Unentschlossenen, hier ein kurzer Trailer:



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen